Und über den Wipfeln ist Ruh`- und Allerorten die Fahnen auf Halbmast

27. Juni 2006

Zürich, 1 Uhr Nachts, 19 Grad Aussentemperatur, 30% Luftfeuchtigkeit. Die Schwiizer Nati hat verloren. Nach spannenden 120 Minuten torloser Spielzeit und 11 Minuten Elfmeterschiessen und nur 7 Schützen starrte die Schweizer Nation entweder auf die flimmernde Beamerleinwand oder die Hände vor das Gesicht geschlagen ins Schwarze. Wie alles heute begann – oder besser endete:

Als es auf einen Schlag im Büro gegen 18 Uhr absolut ruhig wurde, kam Kollege Fercho vorbei. Wir hatten vereinbart, dass wir zusammen in die Innenstadt fahren würden – mit dem Töff. Also sattelten wir die Hufe und ritten wieder gen Downtown. Natürlich wieder ins „Nachtflug“.

Die Vorzeichen – Omen – hatten schon nichts Gutes ahnen lassen.

  • Als ich meinen Laptop heute morgen startete, versagte die USB-Maus den Dienst. Es stellte sich heraus, dass die USB-Ports „tot“ seien. Und das bei einem Marken-Laptop, dessen Motherboard erst vor 14 Tagen auf Garantie gewechselt wurde. Der Ersatzlaptop erkannte das Betriebssystem nicht. Der zweite Ersatzlaptop lief dann inkl. „BillGates“, der „Katze“ und USB-Ports.
  • Der Problembär „Bruno“ wurde am Morgen von einem bayerischen Jäger erlegt. Der erste Braunbär, der uns seit 170 Jahren  besuchte – zu Gast bei Freunden – ist tot.
  • Australien – das Lieblingsreiseziel der Schweizer – verlor unglücklich gegen schwache Italiener durch einen geschenkten Elfmeter in der Verlängerung. Ja gut, die Kiwis hatten 120 Minuten Zeit und einige hochkarätige Chancen. Aber das „Runde“ muss halt mal in das „Eckige“. Und der „gefährliche Schwalbenflug“ der Italiener muss nicht nur dem Schiri, sondern auch den Kängus bekannt gewesen sein.
  • Die Holländer hatten am Tag zuvor gegen die am häufigsten in der Schweiz vertretene ausländische Fangruppe – die Portugiesen – verdient verloren. Dass mich das Spiel mehr an eine Schafkopfrunde erinnerte, lag wohl an den 16 gelben Karten, von welchen 4 Kartons die Farbe nach „Rot“ wechselten“. Trotz „europäischer“ Härte fahren wir nun ohne Holland nach Berlin. Korrektur: Das wäre eigentlich ein positives Omen gewesen. Aber die Holzerei ist wieder negativ zu werten.

  

Zürich, 19 Uhr, 28 Grad Aussentemperatur. Da Fercho ein flaues Gefühl in der Magengegend verspürte, entschlossen wir uns erst einmal in der „Spagetti Factory“ zu stärken. Den Eingangsbereich des „Nachtflug“ hatten wir beim Essen immer im Blick.  Aus reiner Vorsicht; denn wir wollten „gute Sitzplätze“ haben.

Zürich, 20 Uhr, 27 Grad Aussentemperatur. Fercho und ich zahlten und wechselten die Lokalität. Die Sessel waren schon besetzt. Auch die 2. Reihe, somit blieb uns nur noch die Dritte Reihe. Auch gut. Fercho war so nervös, dass er sich mindestens 4 Mal entschloss von der Sitzecke den Stuhl vorzuziehen – und dann doch lieber den Stuhl – nein man sieht von der Sitzecke besser – aber wenn dann noch wer kommt – besser den Stuhl. Ich war dann letztendlich so verwirrt, dass ich erst mal die Kaffesahne in den Aschenbecher leerte. Als ich mit dem Sahneaschenbecher kopfschüttelnd vor dem Ober stand, lächelte dieser und gab mir eine neue. Scheinbar war das heute schon öfters passiert.

Köln, 21 Uhr, 26 Grad, 59% Luftfeuchtigkeit, feuchter Rasen. Anpfiff. Die Schwiizer Nati versucht sofort die Oberhand zu gewinnen. Hat auch mehr Ballbesitz in der ersten Halbzeit, aber kommt überhaupt nicht mit den früh störenden Ukrainern zurecht. Und mit dem feuchten Rasen. Nachdem zum x-ten Mal ein Spieler ausrutsch, meint der Reporter, dass „die Spieler wohl heute gleitende Arbeitzeiten“ hätten. In der 20. Minute köpft Schewtschenko nach einem Freistoss den Ball an die Latte. Die anwesenden Fans im „Nachtflug“ – besonders die weiblichen – schreien kurz auf. Kurz darauf Freistoss für die Schweizer. Alex Frei zirkelt aus 30 Metern den Ball als Bogenlampe um die Mauer und millimetergenau an das Tordreieck. „Schwiizer Nati!“-Rufe durchhallen den Raum. Bis zur Halbzeit spielt sich die Partie eher um den Mittelkreis ab. Oder besser jeweils vor dem Sechzehner kommt es zum Ballverlust. Beide Mannschafte tun sich schwer das durch taktische Manöver geprägte Spiel für sich zu entscheiden.

Dann Halbzeit. Das Publikum in Köln und in Zürich harrte gespannt der Dinge, die da wohl noch kommen sollten. In der zweiten Halbzeit konnte keine der beiden Mannschaften energisch genug in den gegnerischen Strafraum eindringen. Die Abwehrbollwerke waren zu stark. Der Sechzehner wurde hart aber fair verteidigt. Jeder Fehler konnte der entscheidende sein. So verging auch die 2. Halbzeit des spannenden Spieles. Verlängerung. Die Schweizer präsentierten sich frischer. Barnetta hatte eine heisse Chance und auch Vogel, aber die Ukrainer blieben kontergefährlich. Auch die Verlängerung bleibt ohne Ergebnis.

Das Elfmeterschiessen muss die Entscheidung bringen. Die Schweizer gewinnen die Torwahl. Die Ukrainer müssen vor der Schweizer-Fan-Kurve antreten. Das Elfmeterschiessen wurde zum Krimi. Schewtschenko legt sich den Ball zurecht und schiesst. Zuberbühler hält bravurös! Die Schweizer toben! 

 

Streller nimmt anlauf und schiesst. Schowkoski hält! Das darf doch nicht wahr sein. Milewski läuft locker an und hebt den Ball ins Tor. Zuberbühler fliegt zu schnell in die Ecke. 1:0 für die Ukraine. Dann haut Barnetta nur die Latte. Das darf doch nicht wahr sein. Als Cabanas zum Elfmeter antritt, ist die Schweiz bereits durch Rebrow 0:2 im Rückstand. Schowkoski hält erneut. Gussew schliesslich macht das 0:3 zur Realität. Die Ukraine ist im Viertelfinal gegen Italien, die Schweizer Nationalmannschaft muss den Heimweg antreten. Masslose Enttäuschung bei den Fans. Nach nur 11 Minuten ist alles vorbei.

Das „Nachtflug“ leert sich schnell. Fercho sitzt neben mir und schimpft. Ich nehme eine Zigarette und trinke das Glas Panasch aus. Danach gehen wir gemütlich zurück zum Stadthaus. Auf dem Weg dorthin ruft Mike an. Er hatte das Spiel auch mitverfolgt und ist nun traurig, dass es mit der Traumhalbfinalpaarung „Schwiiz – Dütschland“ nichts wird.  

Und morgen fliegen die Brasilianischen Ballkünstler gegen Ghana zuerst aus dem Turnier und dann an die Copa Cobana. Popp! Die Watte quillt!