Die Diskussion in Medien und im Web2.0 betreffend „Die Deutschen in der Schweiz“ in den letzten Monaten warf in mir die Frage auf „Wie passt man sich als Deutscher in der Schweiz am besten an?“. Den Stein des Anstosses gab einmal eine Kommentar auf den Beitrag „NZZ-Artikel: (Die Deutschen) Jetzt gehen sie wieder“ und die aktuelle Diskussion bei Jens-Rainer’s „Blogwiese“ zum Thema „Die Schweiz ist kein Ausland – Denken alle Deutschen so?“
Gibt es kulturelle Unterschiede? Existieren Gewohnheiten oder charakterliche Eigenschaften „der Deutschen“, welche bei „den Schweizern“ nicht so gut ankommen? Könnte man daraus eine Art „Knigge für die Schweiz für Deutsche Migranten“ erstellen? Na, denn schau mer mal. Hier also der erste Teil des „Schweizer Knigge“. Oder eher der Versuch einen solchen zu gestalten.
Auf meine Frage im Beitrag von Jens-Rainer postete er vorerst „Die fünf Fettnäpfchen, in die Sie als Deutscher in der Schweiz nicht hineintappen sollten„, welche ich kurz zusammenfassen und kommentieren möchte:
- „Am Telefon nicht in die Luft gehen“
Eigentlich sollte man niemals in die Luft gehen. Weder am Telefon, noch in persönlichen Gesprächen. Schon gar nicht öffentlich. Laute Auseinandersetzungen oder gar verbale Streitigkeiten habe ich noch nie erlebt.
Tipp: Bleiben Sie ruhig. Wenn eine Besprechung lange dauert, oder ein Kollege das Thema ausführlichst umschreibt, dann hören Sie sich den Vortrag auch an. Vermeiden Sie es den Redner im Redefluss zu unterbrechen. Wenn Sie glauben, dass der Redner seinen Vortrag beendet hat, so warten Sie noch etwas; denn es kann durchaus sein, dass er nur einen kurze Pause macht. Schwierigkeiten werden immer bilateral geregelt und gelöst. - „Alle Inlaut-I’s in Zür-i-ch vermeiden“
Ja, das stimmt! In Zürich ist das tatsächlich so. Es gibt keinen Einwohner in Zürich, der sich „Zür-i-cher“ nennt oder eine in Zürich geborene Lady, die dann „Zür-i-cherin“ heissen würde. Richtig ist: „Zürcher“ oder „Zürcherin“. Das Nationalgericht der „Zürcher“ ist nicht etwa „Züricher Geschnetzeltes“, sondern „Zürcher-Gschnetzelts“. Nur beim See macht man eine Ausnahme: Der See wird nicht „Zürich-See“ genannt, sondern „Zürisee“.
Bei einem Städtchen direkt an der Grenze zu Zürich gibt es einen weiteren Sonderfall: Die Einwohner von Schlieren heissen „Schlieremerinnen und Schlieremer“! Der Name des bekanntesten Schweizer Kinderchores ist nicht zuletzt „Schlieremer Chind„, der dieses Jahr sein 50. bestehen feiern durfte.
Tipp: Beachten Sie die Sprechweise und Eigenheiten. Machen Sie sich nicht darüber lustig. „Es is so“ 🙂 - „Sie meinen, Emil’s Schwiizdertüütsch gut zu verstehen?“
Von meinen Kollegen bekam ich 2002 bei der Abschiedsparty den Klassiker unter den Schweizer Filmen geschenkt:
Der Film „Die Schweizermacher“ aus dem Jahr 1982 mit Emil Steinberger, Walo Lüönd und Wolfgang Stendar nimmt die Schweizer Einbürgerungspraxis mächtig aufs Korn. Die DVD enthält zwei Sprachversionen: Deutsch und „Schwiizerdütsch“ mit Untertiteln. Wählt man „Deutsch“, so sprechen die Schauspieler in der uns „Deutschen“ leicht verständlichen „Schwiizerdütschen“ Sprache. Dadurch, im täglichen Leben und speziell in der Arbeit glaubte ich so „ich verstehe ja ganz viel von der Landessprache“. Bis ich zum ersten Apéro eingeladen wurde. Da stellte ich fest, dass die Leute untereinander ganz anders sprechen. Erst wenn ich angesprochen wurde, „schaltete“ der Redner auf „sein Hochdeutsch“ um. Es dauerte locker 6 Monate, bis ich das „Umschalten“ als unnötig empfand und die Beteiligten – etwa in einer Besprechung – bat, doch im Dialekt weiter zu sprechen.
Tipp: Die Schweizer geben sich grosse Mühe Hochdeutsch zu sprechen. Also erkennen Sie diese Leistung entsprechend an. Sobald Sie einer Diskussion unter Schweizern recht gut folgen können und auch Schweizeigene Wörter wie „Bünzli“, „Cheib“, „Siech“, „Gopf“ oder „vöörige Schoggi“, sowie „I gang go poschte“ verstehen, können Sie getrost mitplaudern – und den Film auf original Schwiizerdütsch ansehen. Wenn Sie Emil Steinberger im Dialekt hören möchten, so besuchen Sie eine der Lesungen. - „Eine Tür zufallen lassen, wenn in 15 Metern Entfernung noch ein Schweizer naht“
Na ganz so extrem ist das nun nicht zu sehen. 15 Meter ist etwas übertrieben. Generell gilt es allerdings als unhöflich, wenn man ohne über die Schulter zu schauen eine Tür zufallen lässt.
Tipp: Sie haben die Zeit sich zu vergewissern, ob direkt hinter Ihnen noch jemand durch die selbe Tür möchte. Auch beim Lift gilt es als üblich eine sich schliessende Tür durch einen Knopfdruck wieder zu öffnen, wenn noch ein Kollege mitfahren möchte. Selbiges gilt für Bus- (Cars) und Tram-Türen. - „Was für ein hübscher Dialekt hier in der Schweiz“
Wie schon unter Punkt 3 erwähnt, gibt es einen grossen Unterschied zwischen dem Standarddeutsch der Schweizer und dem Dialekt in der Deutschsprachigen Schweiz. „Den Dialekt“ gibt es eigentlich nicht. Es gibt, wie in Deutschland, teils massive regionale Unterschiede. Man braucht teilweise nur eine Kantonsgrenze zu überschreiten und schon spricht es sich anders. Zürcher sprechen anders, als Aargauer und Thurgauer ganz anders als Rheintaler. Das Interessante daran ist allerdings, dass Schwiizerdütsch der Sammelbegriff für diejenigen alemannischen Dialekte ist, die in der Schweiz gesprochen werden.
Tipp: Lassen Sie sich bei den ersten Erkundungen der Schweizer schönen Gegend und bei den unvermeidlichen Begegnungen mit „Eingeborenen“ niemals zum Satz „Was für ein hübscher Dialekt hier in der Schweiz“ hinreissen. Es mag ja „hübsch“ erscheinen, wenn sich das „ch“ in der Aussprache, wie die Auswirkung einer chronischen Kehlkopfentzündung anhört. Aber was sagen dann erst die Sachsen? Gewöhnen Sie sich die typische Schweizer Gelassenheit an. „Es is so!“
Ergänzung: Einen kleinen Überblick über die sprachlichen Unterschiede in der Schweiz gibt die Website Dialekt.ch mit eindrucksvollen Tondokumente zum Anhören.