Direkt im Anschluss an das Zürcher Bloggertreffen (BloggyFriday) stieg ich ins Auto und gab „Schlieren, Industriestrasse 12“ ins Navigationsgerät ein. Die Adresse hatten wir vorher in der Arbeit ausgetauscht. Dann fuhr ich los und kam in der Nähe vom Mojiito in Schlieren an. Nur weit und breit kein „Billard-Laden“. Ich griff mir das Mobiltelefon und wählte die Telefonnummer von Mike – Anrufbeantworter. Dann wählte ich die Nummer von Moni – Anrufbeantworter. Bei Michi das gleiche Ergebnis. Zefix! Irgendwo muss das Lokal doch sein. Aber im Industriegebiet von Schlieren alles dunkel.
Dann erreichte ich nach dreimaligem Anrufen endlich Mike. Er erzählte, dass das Billard-Lokal in Dietikon wäre. Eben „Industriestrasse 12“. Also Navi umprogrammiert und ab durch die Mitte. Ich wunderte mich zwar, dass die Route Richtung IKEA ging, aber was soll’s. Als das Navi „Sie haben ihr Ziel erreicht“ vermeldete, sah ich links und rechts allerdings nur Wiese und Felder auf der Verbindungsstrasse Richtung IKEA in Spreitenbach. Was ist denn jetzt los?
Etwas angenervt rief ich nochmals Mike an und teilte ihm mit, dass es hier nur „Wiese“ gab. Er soll mir bitte die korrekte Adresse durchgeben. Er fragte nach und meinte dann selbst verwundert, dass es sich um die „Giessenstrasse“ handeln würde. Die Nummer hätte auch nicht gestimmt (15). „Da war ich doch gerade“ brummelte ich und gab die neue Adresse ein. „Wenn da kein Billard-Lokal ist, dann fahr ich nach Hause“ brummelte ich leise vor mich hin.
Das Navi führte mich wieder den selben Weg zurück und schliesslich landete ich an der „Giessenstrasse 15“. Die Nummer prangte an … einem Autohaus! Ja zefix nomal! Ich fuhr langsam daran vorbei, als ich bemerkte, dass ein Auto den Weg vor mir heraus kam. „Um diese Zeit noch Leute im Gewerbegebiet?“ Ok, dann fahr‘ ich halt um den Block. Und tatsächlich auf der Rückseite einer Lagerhalle/Geschäftshauses spielten ein paar Leut‘ „Tischtennis“???
„Dann parke ich mal“ dachte ich und plante mir das mal genauer anzusehen. Ich ging an den Tischtennisspielenden vorbei und betrat .. einen Billard-Schuppen. Etwa 8 Tische standen in einer grösseren Lokalität. Hinter der Theke ein etwa 50-jähriger, der mich mit den Worten „Kann ich Dir helfen“ empfing. Ich meinte nur kurz: „Ein Bier wäre recht“. Der Laden heisst „Rolis Billard“ und scheint das Billard-Lokal vom Billard-Club Dietikon zu sein.
Ich sah mich um und entdeckte den Rest „der Meute“ am Dartautomaten. Moni, Miri, Michi und Mike warfen Pfeile auf die elektronische Zielscheibe, die jeden Treffer mit melodischen Klängen begleitete. Ich winkte hinüber und setzte mich zuerst auf einen Barhocker an der Theke. Der Herr mit dem roten T-Shirt brachte mir mein Bier und nahm zuerst einmal einen tiefen Schluck nach dieser Odyssee kreuz und quer durch Schlieren und Dietikon.
Dann nahm ich mir mein Bier und ging zu den Kollegen hinüber mit den Worten „Industriestrasse 12“? Mike meinte, er wär‘ den anderen hinterher gefahren. Miri hätte gewusst, wo der Laden ist. Na egal. Dann spielen wir halt ne Runde Dart. Nur die Pfeile wollten irgendwie nicht so, wie es sein sollte. Das Zielwasser fehlte vielleicht? Mit Plastikpfeilen wird das ja auch etwas schwierig.
Keiner wusste auch so recht, wie dieses spezielle Zählspiel funktionierte und wer dann letztlich gewann schien der Dartautomat nach Zufallsprinzip auszulosen. Wir hatten trotzdem unseren Spass. Michi hätte besser manchmal einen Aschenbecher werfen sollen. Speziell, wenn der Dartpfeil vom Ziel einfach lose abprallte. Moni warf mit dem Schwung des gesamten Körpers und Mike nahm alles ganz lässig. Nein, wir spielten nicht „301“ oder „501“, Double-In, Double-Out“, sondern irgendwas anderes.
Gegen Mitternacht verabschiedeten sich Moni, Miri und Michi (die drei „M“) und Mike und ich setzten uns an die Theke, um unser Bier noch auszutrinken. Nur noch wenige Billard-Tische waren belegt. Wir beobachteten ein paar Profis an einem Tisch rechts, die mit Schraub-Queues und Handschuhen sanft die Kugeln bewegten. Die „Schraubschläger“ erinnerten mich an eine nette Story aus früheren Tagen, die ich Mike erzählte – er aber bereits kannte.
Rückblende: Dereinst wohnten wir in Regensburg in der Kurt-Schumacher-Strasse. Ein Schulkollege von mir wohnte schräg gegenüber und er besass einen Billardtisch im Keller. Dort vertrieben wir uns manchmal die Zeit und feierten auch ab und zu eine nette Party, an der ich dann unter dem Tisch wieder wach wurde. Ausserdem spielte mein Kollege damals im ersten Regensburger Billard-Club im Gewerbepark. Dieser Billard-Club richtete dann die „1. Regensburger Stadtmeisterschaft“ aus. Der Schulkollege meinte, ich solle doch mitkommen und auch teilnehmen. Da ich nichts Dümmeres zu tun hatte, ging ich einfach mit und meldete mich spasshalber an. Ich hatte keinen Plan von den Turnierregeln.
Ich stand also bei Spielbeginn am Billardtisch mit den Händen in den Hosentaschen. Mein Kontrahent legte derweil sein Köfferchen auf den Tisch und packte feinsäuberlich ein Stück nach dem anderen seines Spielutensils aus, schraubte den Queue zusammen, polierte diesen mit einem feinen Tuch und spitzte es liebevoll mit Kreide an. Dann fragte er mich, wo ich denn meinen Queue hätte. Ich antwortete: „Es wird doch sicher unter dem Tisch noch so ein Schläger rum liegen“ und griff den dort befindlichen Alu-Queue. Vollkommen verdutzt und perplex wandte sich der „Profi“ ab und es ging zur Auslosung des ersten Stosses.
Ich durfte dann anstossen und lochte gleich mal eine Kugel ein. Ich fragte vor jedem Stoss den Schiedsrichter, ob ich alles korrekt mache. Er meinte nur „Vorher andeuten, wohin Du welche Kugel spielen möchtest“ und ich nahm noch zwei Kugeln vom Tisch. Dann war der „Profi“ an der Reihe und – vereierte den Schuss. Schweisströpfchen bildeten sich langsam auf seiner Stirn, als ich die nächsten Kugeln versenkte und das erste von zwei Spielen gewann – mit einem Alu-Queue ohne Turniererfahrung.
Nachdem mein Gegner offensichtlich um Contenance und mit den Nerven rang, gewann ich auch das zweite Spiel. Ich war eine Runde weiter und er in der Trostrunde. Ich kam gut über die Runden spielte schliesslich um Platz 3 auf dem „Centercourt“ – dem Haupttisch mit Videoübertragung in die Gasträume – gegen den späteren Gewinner des Turniers. Ich verlor zwar den ersten Satz, gewann jedoch den zweiten. Erst im dritten verlor ich knapp beim Kampf um die schwarze Kugel, die bei meinem letzten Schlag knapp vor dem Loch hängen blieb. Pech!? Nein, dafür, dass ich einfach zum Spass mitgemacht hatte, war ich durchaus mit dem 4. Platz und einer Flasche Moet einverstanden.
Gut, dazu muss ich noch zugeben, dass ich frisch aus Portugal kam. Dort hielt ich mich ein halbes Jahr berufsmässig während der Ausbildung auf. Abends blieb mir „leider“ oft nicht viel mehr, als in einem benachbarten Lokal fast allabendlich mit ein paar dortigen Stammgästen zu viert Billard zu spielen. Jeden Abend spielten wir die Getränke aus. Der Tisch war umsonst. Wer verlor durfte die Getränke der anderen beiden Gegner bezahlen. Wir spielten regelmässig bis tief in die Nacht und sahen regelmässig auch tief ins Glas. 🙂
Diese Geschichte bekam eben der Herr hinter der Theke mit dem roten T-Shirt mit und meinte „dann können wir ja auch mal eine Runde spielen“. Ich bejahte lachend. Aber zuerst teste ich den Tisch mit meinem Brüderchen. Wir fragten, was eine Stunde Billard kosten würde (20 Franken) und nahmen die Kugeln mit. Dann spielten wir ein paar Runden.
Das Lokal leerte sich und nur noch ein weiterer Tisch war besetzt. Ich bestellte noch ein Bier und der Herr meinte, ob ich denn nun fit wäre für ein Match. Ich entgegnete, dass ich ihn auf eine Zigarre herausfordern würde. Er nahm gleich zwei Queue mit, steckte sich eine der Zigarren an, gab mir die andere und kam an den Tisch. Ich solle anstossen, was ich dann auch tat. Ich legte gut vor und er legte exzellent nach. Wir plauderten während des Spielens und es kristallisierte sich heraus: Mein Gegner ist nicht nur der Inhaber des Billard-Clubs, sondern auch noch der ehemalige Schweizer Nationaltrainer im Billard. Der „Köbi Kuhn der Billard-Nati“ sozusagen. Ich bekam also eine erstklassige Lehrstunde.
Er meinte, dass er dieses Jahr erst zum 3. Mal wieder Billard spielen würde, was ich natürlich überhaupt nicht glauben konnte. Als Inhaber würde ich jeden Tag selber spielen. Das Pärchen nebenan hatte mittlerweile zu spielen aufgehört und schaute uns an der Theke sitzend schmunzelnd zu. „Roli“ und ich scherzten beim Spielen viel und kommentierten unsere Stösse. Ich verlor zwar jedes Mal, aber immer nur knapp. Er meinte, er müsse mich auch mal gewinnen lassen, sonst käme ich nicht wieder. Und ich entgegnete, für eine Lehrstunde komme ich allemal!
Während der vielen Runden kamen wir irgendwie auf „Trick-Billard“. Und ein paar Tricks zeigte uns „Roli“ zum Abschluss des Abends. Leider hielt der Akku meiner Digicam nicht bis zum Ende durch. Es wäre noch viel mehr Filmenswertes dabei gewesen. Die „Züri-8er-Tram“ hat übrigens noch funktioniert!
Erst gegen kurz vor drei Uhr verliessen Mike und ich „Rolis Billard“ und verabschiedeten uns. Roland „Roli“ meinte noch, dass am nächsten Tag Vereinsmeisterschaft wäre. Schade, denn am nächsten Tag planten wir zum Möbeleinkaufen zu gehen. Sonst hätten wir schon noch vorbei geschaut, ob es einen „Alu-Queue“ im Lokal hat. 🙂
RolisBillard.ch – Billard Club Dietikon
Roland Zellweger
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