19.05.2010 – Thailändische Regierung verhängt nächtliche Ausgangssperre für Bangkok


Wir sind gerade von einem Ausflug an die Südspitze von Koh Chang zurück gekommen. Nach dem Duschen schaltete Nanee den Fernseher ein, um sich über die aktuelle Situation in Bangkok zu informieren. Ihr Eltern hätten sie schon mindestens 10x angerufen, da sie wissen, dass wir eventuell diese Tage in Bangkok verbringen könnten – was aber nicht ist. Wir sind in Koh Chang! Das einzige was für mich gefährlich ist: Die Sonne! Ich hab mir an den Armen einen Sonnenbrand geholt. Mal sehen, wie er sich heute Nacht entwickelt.

ABER: Zur Lage in Bangkok und immer aktuell (siehe unten)

Ein Regierungssprecher teilte soeben in Englischer Sprache mit, dass heute Abend ab 20 Uhr bis morgen Früh 6 Uhr eine AUSGANGSSPERRE (Curfew) für Bangkok ausgesprochen wird – zum ersten Mal in der Geschichte Thailands. Ausserdem wird das Fernsehprogramm auf sämtlichen zur Verfügung stehenden Fernsehsendern gleichgeschaltet, damit jeder immer über das aktuelle Geschehen auf dem Laufenden ist.


Lad Prao Live Webcam Bangkok 18:40 Uhr
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Aktuelle Verkehrssituation in Bangkok MIT Webcams HIER

Man solle sich als Thailänder möglichst nur in dringendsten Fällen auf die Strasse begeben. Darüber hinaus werde speziell für die Sicherheit der ausländischen Bürger und Reisenden gesorgt. Wenn Urlauber in dieser heutigen Nacht (19.05. auf 20.05.) von 20 Uhr bis 6 Uhr Ortszeit in Bangkok unterwegs sein müssten (wegen Transfer etc.), so sind auf jeden Fall REISEPASS und TICKETS griffbereit zu halten, damit die Abfertigung an den Strassensperren zügig von Statten gehen können. Es bestehe kein Grund zur Sorge. Die Transferrouten seien speziell abgesichert. Die Truppen und Volunteers würden heute Nacht überall in Bangkok Poste beziehen und Strassenkontrollen durchführen.

Die Situation eskalierte heute am frühen Morgen gegen 6 Uhr, als Regierungstruppen mit gepanzerten Fahrzeugen und Baggern die Barrikaden rund um das Konsularviertel Silom beseitigten. Dabei sei es vereinzelt zu Schusswechseln und Molotowwürfen gekommen. Der itialienischer Photojournalist Fabio Polenghi aus Milano kam dabei ums Leben. Die Redshirt-Demonstranten hätten Reifenbarrikaden entzündet, worauf das Militär vorrückte. Bei einer gezielten Operation seien vier leitende Führer der Redshirts festgenommen worden.

Daraufhin zündeten versprengte Demonstranden Teile des Einkaufszentrums CENTRAL WORLD PLAZA an und behinderten die Rettungskräfte und anrückenden Feuerwehren das Feuer zu löschen. Die Sendestation des Fernsehsenders HSTV Thai TV Color Ch3 im MALONEEN TOWER (3199 Maleenon Tower, Rama-4 Road, Klongtoey, Bangkok) wurde von den Redshirts gestürmt, besetzt und teilweise in Brand gesetzt – aktuell sendet er nicht – Mattscheibe. Während der Maloneen Tower brannte, wurden über die Helikopterplattform Menschen gerettet. In einigen Gebäuden und Strassenzügen fällt der Strom ganz oder teilweise aus.

Ebenso betroffen ist die THAI STOCK EXCHANGE im selben Viertel. Das Gebäude wurde gestürmt und angezündet. Auch das Areal rund um den Lumpini Park (Nightmarket) steht teilweise in Flammen. Darüber hinaus existieren Bericht von mindestens 5 weiteren nördliche Provinzen neben Bangkok. Dort wurden zeitgleich mehrere Gebäude der Regierung gestürmt, besetzt und beschädigt. 7/11-Geschäfte und Bankfilialen in Bangkok sind dem Redshirt-Feldzug zum Opfer gefallen.

Wärend es in den Urlaubsgebieten sehr ruhig zugeht und nichts von den fernen Ausschreitungen zu spüren ist, kann von Ruhe in Bangkok leider nicht mehr gesprochen werden – zumindest ist jetzt unsicherer, als bis heute Morgen, als man noch wusste, wo sich die Redshirt-Demonstranden aufhalten. Ausserdem fehlen ihnen nun die Führer, die regulierend eingreifen könnten und der Mob regiert. Oder es handelt sich um eine von langer Hand eingefädelte und geplante Aktion nach dem Motto: „Wenn wir gefangen werden, dann stehen 10x so viele auf!“. Das wird sich noch zeigen. 

Gerade wird berichtet, dass die THAI STOCK EXCHANGE und ALLE BANKEN in THAILAND am Donnerstag und am Freitag schliessen werden.

Ich werde versuchen die aktuellen Ereignisse zeitnah hier zu ergänzen.

18:25 Uhr: Es wird von mindestens 20 brennenden Gebäuden in Bangkok gesprochen. Das Fernsehbild zeigt menschenleere Strassen und nur vereinzelt Fahrzeuge.

Update 20.05.2010: In Bangkok scheint weitgehend Ruhe eingekehrt zu sein. Recht eindrucksvolle Bilder zeigt der Tagesanzeiger in einer Online-Serie. Das grösste Einkaufszentrum Thailands (das zweitgrösste Süd-Ost-Asiens) – das Central World Plaza – ist komplett ausgebrannt. Der Lumpinipark gleicht einem ehemaligem Schlachtfeld. Die Rama IV-Road ist von abgebrannten Reifenstapeln in Mitleidenschaft gezogen und von Müll übersäht.

Die Ausgangssperre für Bangkok wurde mittlerweile bis Samstag (Quelle) auf weitere 23 Provinzen ausgedehnt (Quelle). Insgesamt wurden seit Beginn der Proteste Mitte März 82 Menschen – darunter ein italienischer Photojournalist – getötet und rund 1800 verletzt. 45 51 der 82 Menschen starben bei im Zeitraum der Ausschreitungen.

Update 15:41 Uhr: Die Bankfilialen in Thailand werden am Freitag wieder geöffnet sein, nachdem Beschwerden eintrafen, weil dadurch Zahlungen und Buchungen über Tage nicht mehr durchgeführt werden könnten. Die Tourismusbehörde vermutet mittlerweile einen Verlust im Tourismussektor bis zu 120 Milliarden Baht (120 billion baht in revenue). (Quelle)

Update 21:03 Uhr: Der Bangkok Skytrain und die Subway werden am Freitag 21.05.2010 den Betrieb einstellen. (Quelle)

Kommentar:
Welche Auswirkungen die anhaltenden Unruhen auf die Wirtschaft und den Ruf von Thailand – das Land des Lächelns – haben wird, ist noch unabsehbar. Manche Quellen sprechen bereits von einem Schaden von über 3 Milliarden US-Dollar allein für die Tourismusindustrie, welchee 15% des Bruttosozialproduktes von Thailand ausmacht und woran auch Tausende von Arbeitsplätzen hängen. Auch wenn es in den südlichen Urlaubsgebieten ruhig ung gelassen zugeht, wird sich dies in den Buchungszahlen niederschlagen; denn für die Reiseanbieter ist es ein absolutes Übel Reisende in ein unsicheres Land zu senden bzw. ein unruhiges Reiseland zu empfehlen. Quellen sprechen z.B. von Buchungsrückgängen von über 20% im Vergleich zum Vorjahr, in welchem die Gelbhemden schon einmal den Hauptflughafen Thailands für Tage blockierten. Zuerst der Tsunami und nun politische Zerwürfnisse mit einem noch noch nie dagewesenen aufeinandertreffen von Demonstranden und Militär wird das Land für Jahre im Schockzustand behalten.

4 Responses to 19.05.2010 – Thailändische Regierung verhängt nächtliche Ausgangssperre für Bangkok

  1. Thomas sagt:

    Ich denk Du solltest auf Nummer sicher gehen und noch mind. 4 Wochen an Deinen Urlaub dranhängen…

    • PeterPan sagt:

      Hoi Thom..

      gute Idee! Sitze gerade ganz gemütlich auf der Veranda, das Meer rauscht 10 Meter von mir entfernt, die Mücken stechen mich gerne, und der Mond scheint etwas schiefer wie sonst auf mich herab. So lässt es sich leben. Mal sehen, was die nächsten Tage bringen.

      Gruss Peter

  2. redder sagt:

    Was mich wirklich ueberrascht, ist, dass offenbar journalisten in bagkok epidemisch sterben. Ich bin noch aus der stadt raus, bevors losging.

    • PeterPan sagt:

      Hoi..

      in der Stadt ist es nicht unsicher. Nur eben in den Brennpunkten. Wie mein Grossvater schon zu sagen pflegte: „Wer sich in Gefahr begibt, kommt darin um.“ Und er hat zwei Weltkriege überlebt. Journalisten leben leider im Zwiespalt: „Entweder topaktuelle gut verkäufliche Bilder schiessen oder nichts verdienen“. Aber da sage ich Dir ja nichts Neues.

      Gruss und viel Spass
      Peter

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