Kennen Sie „Crazy Banana“? – Die Anfänge des Kults um das Snowboard


Am Wochenende bei der Hochzeit von Petra und André in Lech am Arlberg haben wir über die Anfänge des Snowboardkultes diskutiert. Damals waren die Snowboarder oder Bügelbrett-Fahrer noch echte absolute Exoten. Und gestern fielen mir zufällig Bilder (richtige Papierabzüge) in die Hände – im Schrank im Wohnzimmer – die hab ich sofort einscannen müssen.

Wie kam ich zum Snowboarden? Ich surfte damals auf dem Guggenberger-Weiher in Neutraubling mit meinem Windsurfing-Gerät. Einem Urgestein – ein unsinkbares Gerät mit Schwert und schwerem Segel. Rainer, ein Kollege und Freund von mir, hatte damals schon einen Laden in Regensburg und im Winter hatte es dort immer „Flaute“ im Geschäft.

Bis die ersten Snowboard und Swingbows aufkamen. Ich durfte diese neumodischen Geräte zusammen mit Rainer und „Lupo“-Wolfi am Arber im Bayerischen Wald (Google-Earth) testen. Zu dieser Zeit gab es auch den sogenannten „Monoski“, aber das war uns sofort suspekt, da man mit parallel festgeschnallten Skistiefeln auf einem überdimensionalen Ski stand. Die Stöcke störten zusätzlich.

Das Swingbow war ähnlich konzipiert, wie die damals üblichen Skateboards: Man stand auf einer Platte, welche zwei Fussschaufen besass. Darin stand man mit den damals modischen Moonboots oder Wanderstiefeln – heute würde man „Softboots“ dazu sagen. Skateboardfahren konnte ich etwas, also dachte ich, Swingbow ist auch nicht so schwierig. Über zwei Gelenke wurden zwei kurze Ski bei einer Gewichtsverlagerung in die Kurve gezwungen. Das Problem war allerdings, dass durch die erhöhte Platte der Schwerpunkt des Fahrers ebenso angehoben wurde. Somit brauchte man nicht lange zu warten, bis sich das Swingbow in die eine Richtung und der Fahrer in die andere Richtung bewegte. Noch dazu besass es keine Halte- oder Bremsvorrichtung, welches das Swingbow bei einem Abstieg vom „Brett“ festgehalten hätte. So kam es vor, dass entweder ich oder der Kollege regelmässig hinter dem gute Stück den Berg hinunterliefen. Resümeé: Swingbow macht überhaupt keinen Spass.

Somit testeten wir das „Snowboard“. Das erste Snowboard was ich unter den Füssen hatte war ein „Sims„. Aber ich hab dann auch mal ein „Hooger Booger“-Board ausprobiert. Mit meinen Schnallen-Skistiefeln passte ich hervorragend in die Plattenbindung mit Federzug, welche hinten zu verschliessen war. Das war etwa so, wie bei meinen ersten Ski. Die hatten auch eine Federzug-Bindung. Das Brett war damals hauptsächlich noch aus Holz und die Kanten bzw. die Verleimtechnik stammte noch aus der Skitechnik, wo das Übergerät der Renntiger war. Damit das Teil sich bei einem Sturz mit sich öffnender Bindung nicht selbständig machte, gab es einen Fangriemen, welchen ich mir um den Unterschenkel band. Wir gingen mit dem Bügelbrett unter dem Arm den Hang hinauf und rutschten mit für uns schon atemberaubender Geschwindigkeit den Berg wieder hinuter. Der Hang war aber sehr sehr flach. 😉

Nach Mittag und nach ein/zwei Bier entschlossen wir uns frohem Mutes den Tellerlift zu nehmen, was sich anfangs als Fehler erwies. Wir blockierten nämlich den Tellerlift für die Knirpse aus dem Skikurs, da wir die erste halbe Stunde unerwartet aus dem Schlepplift fielen. Aber irgendwann kamen wir dann doch oben an. Mein Gott war das hoch oben – der Anfängerhang. Na gut. Hingesetzt. Brett angeschnallt. Mit den Armen versucht wieder hochzukommen. Übergewicht bekommen. Brett machte eine halbe Umdrehung um den Kopf im Schnee. Wieder von vorne das Ganze. Schweisstreibend auf jeden Fall. Bis kurz vor Liftabschaltung ging das in etwa. Dann kurz vor Abfahrt das Erfolgserlebnis: Komplette Abfahrt vom Babyhang ohne Sturz. Klasse, gleich wieder rauf. Und es klappte wieder sogar mit einem Bogen mehr. Wieder rauf. Hurra! Es klappt! Patschnass – teils vom Schnee und mehr vom Schweiss – latschten wir fachsimpelnd zum Auto. Nächstes Wochenende geht es gleich wieder mit dem Brett zum Arber – auf jeden Fall.

Nach etwa drei Wochenenden die Mutprobe: Zum Bredlwaschn nach Mayrhofen im Zillertal (Google-Earth). Die Ski nahm ich sicherheitshalber mit. Mittlerweile hatte ich mir ein leuchtend gelbes „Crazy Banana“-Board gekauft. Nein, nicht tailliert und auch nicht mit asymetrischen Seiten, sondern mit „Schwalbenschwanz“!

Snowboard Sims Hooger Booger Crazy Banana

Auf geht`s! „Muata low me aufe aufn Berch!“ „Na Buah! Geh ned! Da Vatta is a scho drom bliebm!“ Die berühmten Zeilen aus „Der Berg ruft“ motivierten uns enorm. Ich packte meine frisch gekauften neongelben ELHO-Klamotten ein (gibt es heute noch, aber nimmer so grell Neonfarben), dazu meine enge graue Skihose und wir fuhren ins Zillertal – für eine ganze Woche zum „Bredlwaschn“ – also im Frühjahr. Nach dem Motto „runter kommen wir immer – und sei es mit dem Sanka“ bestiegen wir am nächsten morgen die Gondel in Finkenberg und fuhren hinauf zum Penken. Das war wesentlich einfacher als mit dem Tellerlift. Und von der Mittelstation geht es dann weiter mit dem Doppelsessellift. Klasse! Welch eine Aussicht! Was für ein „Panonorma„! (Kurzform von „Enormes Panorama!“ nach zwei Erdinger Weizen). Brett angeschnallt, abgestossen und die rasende Fahrt endete nach 10 Metern im Pappschnee. Aufrappeln, Brille im Schnee gesucht, mit Tempotaschentuch geputzt, aufgesetzt und weitere 10 Meter sogar mit einer Kehre „frontside“ durchfahren, bis zur nächsten Sitzposition. Der „Frontside-Turn“ klappte nach etwa 300 Metern hervorragend ohne dass es mich in den Schnee warf, aber der „Backside“ war so ein richtiges Problem. Irgendwie verhedderten sich die „Schwalbenschwänze“ meines „Crazy Bananas“ immer im Schnee. Ergebnis „Plumps“ und Schneekontakt. Bei der Mittelstation angelangt erntete ich hämische Blicke der Skifahrer. „Immer dieses neumodische Zeugs“ war nur einer der freundlicheren Sätze. „Nur kein Stress“ dachte ich „bis hierher bist Du gekommen, dann schaffst des auch nochmal bis der Lift abschaltet.“ Am späten Nachmittag schaffte ich dann doch mal 2 bis 3 Frontsides und 2 Backsides ohne Sitzeinlage. Und bis zum Ende der Woche brauchte ich nicht mal mehr die letzten Meter bis zum Lift zu gehen, sondern konnte genau vor der Einstiegsstelle des Doppelsessellifts bremsen (ohne auf dem Hintern dahin zu gleiten). Meistens zumindest. Hier die Bilder vom „Bredlwaschn“:

Snowboard Sims Hooger Booger Crazy Banana

Nun fragt ihr Euch wann das war? Hinten auf den Bildern steht „Mai `88“! Seit ich das erste Mal auf einem Snowboard gestanden bin, hab ich nie wieder Skier benutzt. Mittlerweile fahre ich das 5. Brett. Das „Crazy Banana“ hat irgenwann einen Flügel des Schwalbenschwanzes verloren. Dann kam ein Hooger Booger und ein Niedecker-Brett. Das Hooger Booger hab` ich beim Anbremsen an einer Liftabsperrung geschrottet. Beim Niedecker ist mir eine Plattenbindung geplatzt. Ich kann mich noch an Obertauern erinnern. Da meinte ein Schleppliftbesitzer, dass wir mit dem Snowboard nicht befördert werden, da wir die Skispur kaputt machen würden. Damals waren wir echt noch Exoten, aber heut? Auch heute gibt es jedes Jahr noch Diskussionen über Skifahrer und Snowboarder „Die liegen oder sitzen ja eh nur im Schnee herum“. Und dann fahre ich wieder mal ein kleines Rennen mit den Herrschaften aus. Hinsetzen? Ne!? scho länger nicht mehr. Ja mei, die Zeit vergeht… odrrr? 

Snowboard Sims Hooger Booger Crazy Banana

Übrigens: Die „Carver“ bzw. die „Schaufelform“ der Ski wurden vom „Freestyle-Board“ geklaut. Damals gab es die ersten taillierten Snowboard, welche extrem schnell und eng drehen konnten. Das haben die Skihersteller dann schnell mal abgekupfert. Mehr über Snowboards hier.

10 Responses to Kennen Sie „Crazy Banana“? – Die Anfänge des Kults um das Snowboard

  1. RHO sagt:

    einfach wunderbar zu lesen dieser text. hat mich auch gleich in die gute alte zeit versetzt und schwelge nun auch etwas in gedanken.
    ich schnallte mir auch irgend um 88/89 das erste mal ein brett an die füsse und erinner mich auch noch genau an den ersten tag.

    es war ein wunderbarer tag ohne wolken am himmel und mit so richtig viel neuschnee. so richtig viel (damals gabs das ja noch). kollegen, welche das bereits mal versucht hatten, haben mich auf den berg mitgerissen und mir ein richtig cooles burton air ausgeliehen. selbstverständlich hatte ich auch noch keine funktionelle kleidung, sondern trug ein paar rote regenhosen über jeans und einen strickpullover. tja, das erste mal, richtig viel schnee und der strickpullover (welcher bis zu den knien hing) liessen mich schnell wie eine lawine aussehen. irgendwie hats aber doch von anfang an einigermassen geklappt und riesen spass gemacht. tags darauf bin ich mir dann gleich mein ersteseigenesboard kaufen gegangen. ein hooger booger versteht sich.

    war schön die zeit und wir haben uns so richtig schön im schnee ausgetobt und ebenfalls viele witzige episoden erlebt. einmal wurden wir auf dem schlepplift von verwunderten/wütenden skifahrern mit eis beworfen. auch gab es schlepplifte die uns nicht fahren lassen wollten wegen der skispur,… aber wir waren ja die rebellen!

    schön wars!

  2. PeterPan sagt:

    Hallo auch…
    ja das war noch ne schöne Zeit. Aber heut is auch noch schön 😉 Noch bis vor wenigen Jahren war ich der einzige im Ski-Bus mit einem Snowboard und mit der „Skimode“ bin ich eh nie gegangen. Immer schön enge Klamotten. Ich warte drauf, bis die hautengen Skihosen wieder IN werden. Und das kommt sicher. Die „Hose-Bis-Zu-den-Knien“-Mode, die so um 1995 aufkam, hab ich nie mitgemacht. Aber es ist schon extrem interessant: Für jede Sportart gibts eigene Bekleidung. Wenn man nur 3 Sportarten über das Jahr macht, füllt die Bekleidung schon einen eigenen Schrank.
    Das letzte Erlebnis wegen Mode und Sport hatte ich dieses Jahr. Ich hab neue Motorradbekleidung gebraucht und mir die neuen „atmungsaktiven“ Goretex-Klamotten gekauft. Ein halbes Jahr später benötigte ich neue Board-Bekleidungs-Teile. Da musste ich feststellen, dass hier genau die gleichen Produkte angeboten wurden. OK, jetzt hab ich eine Synthetik-Motorradhose, eine Synthetik-Motorradjacke und eine Synthetik-Boardjacke. Die Motorradhose passt perfekt für beide Sportarten – besitzt sogar Protektoren and der entsprechenden Stelle, die man rausnehmen kann (wenn man mag).

    Gruss
    PeterPan

  3. Hallo PeterPan,

    vom EIB-Forum zum Nostalgie-Dejavue.

    Das könnte ja fast alles von mir sein.

    Das Hooger Booger hatte mein Bruder. Crazy Bananas hatten wir beide. Zwischendurch haben wir mal einen Selbstbauversuch gestartet. Taillierung war da aber gar keine dran. Nach den Bananas kamen aber erst noch 2 GNU Boards. Mein Vater hat auch irgendwann das Skifahren aufgegeben und fährt mit 64Jahren immernoch nur Snowboard. Aber der surft ja auch noch fleissig und wartet nur auf das erste Eis zum Eissegeln…

    Auf einem MBOO hab ich den ersten geschnittenen Schwung gefahren und bin beim Raceboard geblieben.

    Inzwischen als Snowboardlehrer kommt man ja auch mit Freestyle in Berührung. Und ’nen Tandemboard hab ich auch zuhause.

    …und auch ein Swingbo steht hier im Keller, weil mir letztens tatsächlich jemand Wildfremdes ’ne Mail geschrieben hat und gerne eins hätte.

    Die ELHO Klamotten hab ich alle nicht mehr, nur das MBOO in Ferrari-Rot hängt noch in meinem Jugendzimmer in Berlin aber es ist schön, mal wieder in Erinnerungen zu schwelgen und sich auf Weihnachten zu freuen, wenn Amazon die „Breakfast Club“ DVD bring und „Adolars fantastische Abenteuer und der C64 Joystick DTV64 unter dem Baum steht…

    Frohes Fest
    Flo

  4. […] Hier mal ein WEBCAM-Bild (28.02.06) vom Parsenn/Weissfluhjoch. Standort: Parsenn, Weissfluhjoch, 2663 müM / Blick Richtung Dorftäli / Jakobshorn / Dischmatal. Das Wetter sieht durchwachsen aus – auch die Wetter-Vorhersage für das Wochenende: “Wechselhaft mit Schneeschauern und nur wenig Aufhellungen mit Temperaturen zwischen -14 und -5 Grad Celsius“. Schnee hat es auf jeden Fall genug: “Zwischen 90 cm (Fluelastrasse 1560muM) und 153 cm auf dem Weissfluhjoch (2540müM)“. Das Snowboard nehm` ich auf jeden Fall mit – und sei es um es vor die Apré-Skihütte zu stellen […]

  5. Daniel sagt:

    Mann mann mann,

    man kann sich das Leben garnicht mehr so wirklich ohne Snowboards vorstellen.
    Ich fahre erst seit 5 Jahren, aber schon jetzt ist es ein Teil meines Lebens!

    Viele Grüße,

    Daniel

  6. […] Nennen Sie drei deutsche Mittelgebirge! Ich nehme mal an, dass meine Kenntnisse zu den Mittelgebirgen ausreichen: – Bayerischer Wald (Boarding bis der Arzt kommt) – Schwarzwald (Kuckucksuhr) – Erzgebirge (Luzerner Souvenirs) […]

  7. […] sporadischem Abreiten der zahlreich verfügbaren Berghänge in der Schweiz. Als dereinst die ersten Bügelbretter in Snowboards umgewandelt wurden, war er mit dabei. Skifahren konnte er eh nie […]

  8. Armin sagt:

    Hy!

    Bei der geschilderten Geschichte wird Dich sicher unser Projekt http://www.SNOWBOARDMUSEUM.de interessieren.

    Vielleicht hast Du ja sogar noch ein potentielles Ausstellungsstück rumliegen oder kennst jemanden …..

    mfg

    Armin
    http://www.SNOWBOARDMUSEUM.de

  9. PeterPan sagt:

    Hi Armin..

    coole Angelegenheit das Museum für Snowboards und dergleichen! Mal sehen, was ich noch im Keller habe!

    Gruss
    Peter

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